In der Niederelbe-Zeitung vom 05.01.2022 gab es einen interessanten Artikel, der die möglichen Ursachen für den Rückzug englischer Jugendlicher erklären würde. Der Artikel ist nachstehend abgedruckt:
Englische Schüler wenden sich ab
Seit Jahren geht die Zahl der Schülerinnen und Schüler zurück, die in England Deutsch lernen – Trend scheint unumkehrbar
LONDON. „Servus“ und „Bleibt’s gesund“: Der britische Thronfolger Prinz Charles (73) wendet sich regelmäßig auf Deutsch an sein Publikum, wenn er zu Besuch in der Bundesrepublik ist. Queen Elizabeth II. (95) parliert immer wieder auf Französisch. Doch schon bei der jüngeren Royals-Generation sieht es mau aus mit den Fremdsprachenkenntnissen: Prinz William mühte sich vor einigen Jahren sichtlich ab bei einer teilweise auf Französisch gehaltenen Rede in Kanada. Und was beim Königshaus gilt, ist erst recht wahr, wenn es um die Untertanen geht: Die heranwachsende Generation lernt immer seltener Deutsch und andere Fremdsprachen.
Der jährliche Language-Trends-Bericht des britischen Kulturinstituts British Council ist ernüchternd: Wählten im Jahr 2005 noch mehr als 100 000 Kinder in England Deutsch für ihre Mittlere-Reife-Prüfung (GCSE), waren es im Jahr 2020 nur noch etwas mehr als 40 000. Bei den mit dem Abitur vergleichbaren A-Levels sank die Zahl der Deutsch-Prüflinge zuletzt sogar auf traurige 2666.
Seinen Höhepunkt erlebte das Interesse an Deutsch im Jahr 2001, als sich 571 000 Schüler für Deutsch als Prüfungsfach bei der GCSE- Prüfung anmeldeten. Doch spätestens seit die damalige Labour-Regierung 2004 die Pflicht zur Wahl mindestens einer Fremdsprache als Prüfungsfach abschaffte, hat das Interesse englischer Schülerinnen und Schüler an Deutsch stetig nachgelassen. „Das war zweifelsohne katastrophal und das ist auch der Hauptgrund, warum man immer gegen den Strom schwimmt, wenn man die Sprachen stärken will“, sagt Katrin Kohl, die als Professorin für Deutsch an der Universität Oxford lehrt, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. An eine Umkehr dieses Trends ist nach Meinung Kohls kaum zu denken. Für immer weniger Schulen lohnt es sich, das Fach anzubieten.
Doch warum wollen immer weniger Kinder in England Deutsch lernen? Hat das vermeintlich
humorlose Land der ehemaligen Kriegsgegner noch weiter an Attraktivität eingebüßt als ohnehin schon? Vicky Gough vom British Council glaubt das nicht. Klar sei aber, dass Spanien bei vielen Kindern in Großbritannien mit Badeurlaub am Strand verbunden sei und daher eine größere Anziehungskraft ausübe.
Aber das größte Problem ist – geradezu banal – ein statistisches: Wer Deutsch als Prüfungsfach wählt; schneidet im Schnitt etwas schlechter ab als Mitschüler, die sich beispielsweise für Geschichte entscheiden. Das ist nicht nur für die Schüler ein Problem, sondern auch für Schulen, deren Qualität und guter Ruf am Abschneiden ihrer Zöglinge bei zentralen Prüfungen gemessen wird.
Hinzu kommt der Ruf des Deutschen, eine besonders schwierige Sprache zu sein. „Viele Menschen nehmen Deutsch als schwerer wahr als andere Sprachen und denken deshalb, dass es nur den sprachbegabtesten Schülern vorbehalten ist“, sagt Gough.
Gleichzeitig mit dem Nutzen für die schulische Laufbahn sind für englische Schüler auch die Gelegenheiten zum Austausch zurückgegangen. Die Unterbringung bei Gastfamilien gilt in Großbritannien inzwischen als risikobehaftet. Wer einen Schüler oder eine Schülerin bei sich aufnimmt, muss ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Da es aber in Deutschland und anderen Ländern keine vergleichbaren Regelungen gibt und die Übernachtung in Jugendherbergen und Hotels erheblich teurer ist, verzichten seit einigen Jahren viele Schulen auf die Auslandsaufenthalte. Die Pandemie brachte den Austausch dann ohnehin zum Erliegen. (dpa/skw)
Der britische Prinz Charles (Mitte), hier mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und seiner Frau, Herzogin Camilla, wendet sich regelmäßig in fließendem Deutsch an sein Publikum.
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